Eigentlich versuche ich gerade, mit Freunden weniger über Corona zu reden. Natürlich scheitere ich immer wieder daran. Neulich sagte ich zu einer Freundin: “Wenn 2G gilt und sich ein Ungeimpfter Essen zum Mitnehmen holen will, darf der dann eigentlich kurz rein, um zu bestellen…?” Dann fiel mir es mir wieder ein. Achja, nicht über Corona reden. Weil es mich nervte, dass zu viele Gespräche nur noch darum kreisen, wie man nun diese oder jene Regel findet. Was es da nicht alles für verrückte Regeln gibt. Aber das Gespräch über die Regeln ist so banal, man muss sich nicht gut kennen, es ist der unpersönlichste Small Talk der Welt, der auch nirgends wirklich hinführt. Mit Freunden fühlt es sich an wie vergeudete Zeit. Wie viele schöne Abende versanken schon im Corona-Bla-Bla. Ich fand das frustrierend. Muss das sein? Mittlerweile denke ich: Ja, irgendwie doch. Reden hilft ja in belastenden Situationen. Der nächste Lockdown ist immer der schwerste. Die Regeln durchzugehen (und sich über ein paar lustig zu machen), das kann heilsam sein. Aber ich vermute noch einen zweiten, wichtigeren Grund, ich nenne ihn: Das Abchecken von Toleranzgrenzen.
In den letzten Wochen kursierten in meinem Umfeld solche Fragen: Trägst du echt immer FFP-2 im Nahverkehr? Setzt du zum aufs Klo gehen immer die Maske auf? Es geht noch krasser: Hast du schon mal einem ungeimpften Freund dein Handy gegeben, damit er mit deinem Impfpass mit ins Café kann? Ja, das ist vorgekommen. Mit solchen Fragen kann man sich der gegenseitigen Freundschaft versichern. Man vertraut sich dem anderen an. Und dann? Ich sehe es so: Wer trotz hoher Inzidenz auf einer Küchenparty eng getanzt hat, weil das gegen die Einsamkeit hilft, verdient Verständnis. Wer andauernd ohne Maske herumläuft, dem muss man aber vielleicht eine Ansage machen.
Interessant wird es bei Ungeimpften. Viele sagen, man müsste ihnen jetzt ins Gewissen reden. Es gibt sogar Anleitungen dafür. Ich sehe das anders. In meinem Freundeskreis gab es eine Ungeimpfte. Wir haben sie nie verurteilt oder versucht zu überreden. Aber wir sind im Gespräch geblieben. Eigentlich war es nur Corona-Bla-Bla, aber in Wahrheit hat sie unsere Toleranzgrenzen abgecheckt. Wir haben zugehört und manchmal Ansagen gemacht. Mittlerweile ist sie geimpft. Wegen der Arbeit, sagt sie. Ich glaube, weil wir ihr weiter zugehört haben. Vielleicht, glaube ich, bin ich doch wieder für mehr Corona-Bla-Bla zu haben.