Mein Lieblingsbäcker muss sich wohl radikalisiert haben. Denn eigentlich gibt es
seit Sonntag keine Maskenpflicht mehr. Und trotzdem hing nun in der Glastür des Bäckers folgendes Schild: „Wir empfehlen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.“
Das mit der Radikalisierung war ein Scherz. Natürlich sollte es völlig egal sein, welche Geschäfte sich weiterhin eine maskierte Kundschaft wünschen – und welche nicht.
Schließlich wünscht sich auch der Opernintendant, dass sein Publikum nicht in irgendeiner Jogginghose ankommt. Und der Wirt einer Nichtraucherkneipe hofft, dass sich bei ihm niemand eine Zigarette ansteckt.
Trotzdem gibt es Menschen, die das Maske-Tragen, seit es nicht mehr Pflicht ist, jetzt wieder als politisches Statement auffassen. (Oder das Nichttragen, je nach dem wen man fragt.)
Ein Beispiel: Auf Twitter schrieb jemand, man könne jetzt nicht mehr zu dem einen Bäcker gehen (der nämlich keine Masken mehr verlangt), sondern nur noch zu dem anderen (der weiterhin Masken verlangt). Als wäre es unerhört, sich nach der neuesten Schutzverordnung zu richten. Jemand kommentierte, das sei ja kein Problem, schließlich schmecken die Pfannkuchen bei dem Masken-Bäcker ohnehin besser.
Derweil regen sich andere über Läden auf, in denen weiterhin Maskenpflicht gilt – mit Verweis auf das Hausrecht. Sie gingen dort nicht mehr hin. Sehen sie einen Bekannten mit Maske, fragen sie: “Warum trägst du jetzt Maske?”
Für Menschen, die so oder so denken, muss sich die Leipziger Fußgängerzone inzwischen wie ein Schlachtfeld um die richtige politische Meinung anfühlen. Da drüben die freiheitsfeindliche Drogerie, die weiterhin um Masken bittet. Dort hinten der irrsinnige Buchladen, der Masken abgeschworen hat. Je nach dem, auf welcher Seite man steht, geht man nur noch in ausgewählten Läden einkaufen.
Vielleicht begegnen sich Menschen mit und Menschen ohne Maske bald gar nicht mehr. Wäre damit etwas gewonnen?
Ich bin mal von der Grimmaischen Straße in Richtung LVZ spaziert und habe nachgesehen, wer weiterhin Masken verlangt und ob da eventuell ein Muster zu erkennen ist. Hier mein Ergebnis:
- Deichmann nein,
- Douglas nein,
- Zara nein,
- Hirmer ja,
- Seemann Frisöre ja,
- Thalia nein,
- der Thüringer-Rostbratwurst-Stand vor Thalia ja,
- Stadtbibliothek nein.
Ist das jetzt so: Der Bratwurststand vor Thalia soll ein radikaler Freiheitsgegner sein? Und hat sich, laut der anderen Seite, die gute alte Stadtbibliothek nun den leichtsinnigen Maskenfeinden angeschlossen?
Vermutlich ist es doch einfach so: Die einen machen es so, die anderen so. Aber nicht jeder Zettel im Schaufenster ist ein politisches Symbol. Wer sich weiterhin schützen will, darf das ja tun, fertig.
In Japan tragen die Menschen schon seit über Hundert Jahren Mund-Nasen-Schutz. Sie tun das nicht, um ihre politische Zugehörigkeit zu markieren, sondern wenn sie krank sind, um niemanden anzustecken. Oder, habe ich mir sagen lassen, um einer Pollenallergie vorzubeugen.
Auch in Leipzig beginnt jetzt wieder die Pollenzeit. Wer bei mir zu Hause zu Besuch ist und allergisch ist, darf deswegen gern die ganze Zeit e ine Maske tragen. Oder nicht. Geraucht wird aber bitte am offenen Fenster.