Es gibt ein Thema, das diese Stadt innerlich zerreißt und dieses Thema heißt Autos. Über wenig diskutieren Leipzigerinnen und Leipziger so emotional wie über
neue Fahrradwege, also die Abwesenheit von Autos. Warum ist das so?
Vermutlich liegt es daran, dass Leipzig in den nächsten Jahren auf das Ende einer großen Schlacht zusteuern wird, die in anderen Städten schon längst entschieden ist: Sind wir eine Autostadt oder sind wir eine Fahrradstadt?
Zur Einordnung: Tübingen, da ist die Sache recht klar, ist eine Fahrradstadt und München, beispielsweise, ist eine Autostadt. Natürlich, man kann auch im Englischen Garten schön radeln. Aber den meisten Platz bekommen in München die Autos, so ist das eben.
2019 ist lange her. Inzwischen steuert Leipzig auf eine Weggabelung zu, eine letzte große Schlacht zwischen Lenkrad und Lenker, an deren Ende einer von beiden gewonnen haben wird: die motorisierten Individualisten oder die radelnden (und Bus, Straßenbahn, E-Roller fahrenden) Kollektivisten.
Weil jede Schlacht Opfer, Zeit und Kraft kostet, die auch sinnvoller eingesetzt werden kann, finde ich: Es wäre besser, wir fangen jetzt an zu diskutieren, wie Leipzig werden soll, anstatt uns bald gegenseitig von der Straße zu drängen.
Also, worin wären wir uns jetzt schon einig? Vielleicht darin: Autos sind sehr bequem, aber auch ein bisschen egoistisch. Das ist nicht wertend gemeint. Aber wenn sich eine Gesellschaft lieber in lauter kleinen Privatparzellen durch die Stadt bewegen will, anstatt sich wie in der Straßenbahn in eine große Parzelle rein zu teilen, dann heißt der Preis für den Luxus namens Auto vor allem: Platz.
Die Frage ist also nicht, ob Autos gut oder böse sind, sondern ob wir es uns leisten wollen, dass sie überall herumfahren und herumstehen. Ein privater PKW steht nämlich durchschnittlich 23 Stunden am Tag einfach nur herum, also mehr als 95 Prozent seiner Lebenszeit.
Um eine Antwort zu finden, hilft vielleicht nur ein großes Experiment. Mein Vorschlag: Lasst uns Plagwitz ein Jahr lang autofrei machen.
Vielleicht nicht gleich ganz Plagwitz. Sagen wir, zwischen Kanal, Felsenkeller und Lützner Straße würde ein sogenannter
Superblock entstehen. So etwas gibt es schon in Paris oder Barcelona. Innerhalb des Blocks darf nur herumfahren, wer dort wohnt. Abbiegen dürfen Autos nur in eine Richtung, damit sie schnell wieder auf den umliegenden Hauptstraßen landen.
Achja: An den Einfahrten zum Superblock stehen Kameras, die jedes Nummernschild scannen. Wer unerlaubt hineinfährt, bekommt einen Strafzettel. Mit dem Geld könnte man dann ja ein schönes unterirdisches Parkhaus bauen.